Selbstständigkeit oder Unternehmertum?

Seit einigen Monaten kommuniziere ich ganz klar: „Ich mache mich selbstständig!“ – doch eigentlich stimmt das gar nicht.
Richtig müsste der Satz lauten: „Ich werde Unternehmerin!“. Und schwupp, sehe ich auch schon die ersten hochgezogenen Augenbrauen.

Da in der Gesellschaft mit dem Begriff „Selbstständigkeit“ meist alles abgedeckt ist, was man nicht als Angestellter in einer Firma macht, bezeichne auch ich mein Vorhaben immer als Schritt in die Selbstständigkeit. Zugegeben tue ich das, um es mir etwas einfacher zu machen: Jeder weiß, was ich meine und der Begriff ist nicht negativ konnotiert – im Gegensatz zum „Unternehmertum“.

Doch was bedeutet Unternehmertum eigentlich und wie grenzt es sich zur Selbstständigkeit ab?
Warum ist es so wichtig, den Unterschied zu kennen, besonders wenn man selbstständig arbeitet?
Diesen Fragen gehe ich in diesem Artikel nach, denn es ist langfristig von großer Bedeutung, die Unterscheidung zu kennen.

Wichtige Unterschiede

Selbstständigkeit

In einer Selbstständigkeit ist es unersetzlich, dass die selbstständige Person ihre Arbeitskraft produktiv einsetzt.
Das bedeutet, dass sie durch ihre Energie und Zeit etwas erschafft, zum Beispiel ein Produkt oder eine Dienstleistung. Die logische Folge ist, dass sie umso mehr Umsatz bzw. Gewinn macht, je mehr Arbeitsleistung sie erbringt.

Diese Kopplung von Arbeitszeit oder -aufwand und Erlös ist im Grunde ähnlich wie die eines Angestelltenverhältnisses.
Die Kurve kann natürlich nicht unendlich steigen, weil unsere Zeit nun einmal begrenzt ist.
So kann jeder Selbstständige zwar selbst seine Aufträge, seine Preise und Arbeitszeiten bestimmen (dieser Wunsch nach Autonomie führt die meisten schließlich in die Selbstständigkeit), aber wenn er keine Leistung erbringt, fließt auch kein Umsatz.

Hinzu kommt, dass viele Selbstständige Experten auf ihrem Gebiet sind – und das ist auch gut so, denn wir brauchen qualitativ hochwertige Produkte und Dienstleistungen.
Allerdings führt das zu einer noch stärkeren Abhängigkeit der Firma von ihrem Inhaber, denn er erbringt meist die beste Leistung und ist somit unersetzlich.

Aus diesem Grund sind viele Handwerker selbstständig und keine Unternehmer, denn sie sind im wahrsten Sinne des Wortes Meister ihrer Fachrichtung und wollen selbst Hand anlegen.
Dagegen wäre auch nichts einzuwenden, wenn die Aufgabe der Unternehmensführung dafür an eine andere Person abgegeben werden würde.


„Selbstständige arbeiten IM Unternehmen.
Unternehmer arbeiten AM Unternehmen.“

Unternehmertum

Kurz- oder mittelfristig schließt es sich nicht aus, beides gleichzeitig zu tun:
einen Anteil der Arbeitszeit mitzuproduzieren und Teil des operativen Geschäfts zu sein.
Und einen (mindestens genauso großen!) Anteil einen Schritt zurückzugehen, die langfristige Strategie und Visionen auf den Weg zu bringen.

Wenn das Unternehmen dann im Idealfall wächst und beide Aufgabengebiete immer größer werden, kann man nicht mehr beides machen und sollte sich Unterstützung holen. Der Unternehmer entscheidet sich dann, die operative Arbeit abzugeben und nur noch am Unternehmen zu arbeiten, sodass es langfristig am Markt besteht.
Da er nicht (mehr) Teil des Tagesgeschäfts ist, sind die Einnahmen weitestgehend unabhängig von seiner Arbeitskraft – Arbeitszeit und Einkommen stehen also nicht in direktem Verhältnis zueinander.

Den zweiten großen Aspekt des Unternehmertums finden die einen gut, die anderen schlecht: Unternehmer sein ist ein ganz eigenes Arbeitsfeld, mit dessen Tätigkeiten die meisten vorher noch nie in Berührung gekommen sind.
Strategisches Denken, Netzwerken, das Unternehmen repräsentieren und Mitarbeiter führen: die wenigsten lernen das während ihrer Ausbildung.
Wenn man aber ambitioniert und neugierig auf diese neuen Aufgaben und Herausforderungen ist, ist das Unternehmerdasein doch spannend und ein toller Zusatz zur Selbstständigkeit.

Auch wenn es oft Angst macht und sich Zweifel breit machen: Ich bin überzeugt davon, dass es jede Mühe wert ist!

Wozu die Unterscheidung?

Dir ist der Unterschied zwischen einem Unternehmer und einem Selbstständigen klar geworden und nun fragst Du Dich, warum ich dieser Frage einen ganzen Artikel widme? Sage ich Dir!

Die beiden Arbeitsformen verfolgen unterschiedliche Zielrichtungen und ich bin überzeugt, dass nur wer sein Ziel kennt, auch erfolgreich sein kann.

Jeder, der gründet oder schon gegründet hat, sollte sich Gedanken darüber machen, ob er selbstständig und sein eigener Chef sein will, der selbstbestimmt arbeitet.
Oder ob der Fokus seiner Arbeit als Unternehmer auf dem Wachstum und der Skalierbarkeit der Firma liegt. Denn wenn er sich für Letzteres entscheidet, hat das einen maßgeblichen Einfluss auf die Struktur und Organisation des Unternehmens: Das operative Geschäft sollte hauptsächlich von Mitarbeitern ausgeführt werden – nicht, weil der Unternehmer keine Lust hat zu arbeiten, sondern weil seine vielfältigen Aufgaben so viel Zeit beanspruchen.

Ich habe schon viele Selbstständige erlebt, die sich eigentlich in der Rolle des Unternehmers sehen, aber selbst den ganzen Tag operativ arbeiten.
Die Lösung des Problems beginnt mit dem Bewusstsein für die Unterscheidung zwischen Selbstständigkeit und Unternehmertum und der Entscheidung für eine Richtung, in die sich der Gründer orientieren will.

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