Für heute habe ich mich für ein anderes Diary-Format entschieden und ein bestimmtes Thema ausgewählt, über das ich unbedingt noch schreiben wollte. Ein Grund dafür ist tatsächlich, dass ich nicht so viel Lust habe, über die letzten zwei Wochen zu reden – nur lernen und eine Erkältung mit sich herumschleppen ist nichts, was ich hier noch einmal auseinandernehmen möchte :p
Auch bezüglich meiner Ausbildung gab und gibt es Dinge, die ich eigentlich dort lassen möchte, wo sie sind… Aber ich knüpfe sie mir trotzdem nochmal vor.
Für euch, für zukünftige Konditoren-Azubis und für die staatlichen Stellen, die leider die Augen vor der Realität verschließen.
"Wie kommst Du denn auf sowas?"
Vor allem weil ich ursprünglich vorhatte, in die medizinische Richtung zu gehen, kam diese Frage dann häufig und ziemlich überrascht. Dabei stand ich schon immer viel in der Küche und konnte mir Tortenbilder ohne Ende anschauen.
Dass man sich für einen handwerklichen Beruf entscheidet ist offensichtlich noch nicht so ganz verbreitet und angesehen.
Am besten finde ich ja die Aussage „Aber Du hast doch ein Abi gemacht!“ – als ob der einzig richtige Weg dann das Studium wäre?!
Was einige vielleicht nicht wissen ist, dass man ein Abitur auch für die Ausbildung „nutzen“ kann. Bei dreijährigen Ausbildungsberufen lässt sich die Zeit durch Anrechnung des Schulabschlusses auf zwei Jahre verkürzen.
Das war einer der Gründe, dass ich die Ausbildung gemacht habe. Ich dachte mir, selbst wenn es schlechte Phasen gibt, dauert das ganze nur zwei Jahre – ich mache ja nicht vier Jahre ein duales Studium.
Der zweite Grund ist leider auch nicht so romantisch: Als ich mich über die Gründung einer eigenen Konditorei informierte, stellte ich schnell fest, dass ich nicht um die Meisterpflicht herumkomme. Voraussetzung dafür ist nun einmal die Konditorenausbildung.
Da ich zu der Zeit schon in einer Konditorei ausgeholfen habe und dort bald ein Ausbildungsplatz frei wurde, hat alles wunderbar gepasst und ich fing dort übergangslos meine Ausbildung an.
"Und wie ist es, nochmal zur Schule zu gehen?"
Ich wusste zwar, dass zur Ausbildung auch der Besuch der Berufsschule dazugehört. Aber ich hatte mir sie eher wie eine Hochschule vorgestellt, immerhin waren alle in meiner Klasse schon (lange) erwachsen. Nix war’s!
Da ich die verkürzte, zweijährige Ausbildung machte, hatte ich sogenannten „Teilzeitunterricht„. Je nach Lehrjahr an ein oder zwei festen Tagen pro Woche.
Blockunterricht (also mehrere Wochen NUR Schule) hätte ich gar nicht ausgehalten!
Der Unterricht bestand aus allgemeinbildenden Fächern wie Englisch und Wirtschaft, aus konditoreispezifischen Fächern und aus Praxisunterricht in der Schulküche. Wobei Schulküche jetzt nach schlechtem Filterkaffee und kleinem Küchentisch klingt. Es war schon ein großer Produktionsraum, wie man ihn auch in großen Konditoreibetrieben finden würde: mit Arbeitstischen, Maschinen, Öfen, Spüle usw.
Ich konnte kaum fassen, dass ich gefühlt nochmal in die 9. Klasse zurück katapultiert wurde – naja, bis auf das Siezen der Schüler. Was nicht so ganz stimmig war, weil wir trotzdem wie kleine Kinder behandelt wurden. Natürlich gab es auch gute Lehrer, die mit uns ganz normal, angemessen und eher freundschaftlich umgegangen sind. Aber die bleiben eben (leider) nicht so stark in Erinnerung.
Es gab also wieder die volle Ladung: Hausaufgaben wurden kontrolliert, der Ausbildende wurde angerufen, wenn man zu spät zur Schule kam. Für jede Fehlstunde musste ich eine Entschuldigung vorlegen (die ich mir 5 Minuten vorher schnell selbst geschrieben habe, weil ich zuhause natürlich nicht daran gedacht habe).
Ein kurzer Blick aufs Handy, ermahnt.
Zu viel mit dem Nachbarn geredet, ermahnt.
Mal wieder keine Hausaufgaben gemacht, wurde mit einem Anruf im Betrieb gedroht.
Hallo?!
Wir haben mindestens eine 40 Stunden Woche, arbeiten hart, müssen zusätzlich für Prüfungen lernen, Überstunden machen, manche arbeiten sogar nachts.
Entschuldigung, dass wir einfach keine Energie mehr haben, um die Präsentation verschiedener Yoga-Übungen vorzubereiten.
Kein Spaß – das mussten wir wirklich machen.
Matheaufgaben durften ausschließlich mit Dreisatz gelöst werden, sonst galt die Aufgabe als falsch!?
Ach ja, ich könnte die Reihe endlos fortsetzen.
"Wie läuft eigentlich die Gesellenprüfung ab?"

Bei der Abschlussprüfung geht es natürlich um alle Themengebiete der Ausbildung und nicht nur um die Produkte des Betriebes. Aus diesem Grund ist der Ausbildende auch verpflichtet, dem Azubi alles beizubringen, was zum Bereich der Konditorei gehört.
Das ist bei mir leider nicht passiert und obwohl wir immer wieder darum gekämpft haben, wurde uns nur sehr wenig Zeit freigestellt, um andere Dinge zu üben. Manches auch ohne Hilfe oder Anleitung.
Wir haben ehemalige Azubis gefragt, Videos geschaut und Kollegen in ihrer Freizeit um Hilfe gebeten. In den Wochen vor der Prüfung stand ich also zusätzlich zu allem, was sowieso zur Ausbildung gehört, bis spät abends in der Küche (sowohl im Betrieb als auch Zuhause) und probierte Techniken, Rezepte und Herstellungsweisen aus.
Erst hinterher wurde mir bewusst, wie stark hier gegen das Gesetz verstoßen wurde, aber in der Situation wollte ich das einfach durchziehen und hatte keine Zeit für Diskussion und Streit.
Die Prüfung selbst dauert zwei Tage, an denen man eine breite Palette an verschiedenen Produkten herstellen muss. Dazu gehört zum Beispiel eine Motivtorte, Pralinen, Gebäck usw.
Alle Zutaten, Werkzeuge und Utensilien, die man benötigt, muss man selbst mitbringen, ich habe also einen ganzen Tag nur mit dem Abwiegen, Verpacken und Beschriften der Zutaten verbracht. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie es zuhause aussah… als ob ich umziehen würde.
Während der Prüfung selbst muss man einfach konzentriert und sehr zügig arbeiten, dabei hoffen, dass nichts anbrennt oder zerbricht. Am Ende muss man einen Tisch präsentieren, auf dem alle Produkte unter einem bestimmten Motto angerichtet und dekoriert sind.
Ein letztes Mal muss ich jetzt doch noch an die Decke gehen: die Prüfer.
Noch nie habe ich vorher erlebt, dass Prüfer so herablassend und demotivierend mit Schülern oder Prüflingen umgegangen sind. Anstatt zu ermutigen und „anzufeuern“, haben die drei eine so schlechte Stimmung verbreitet, das war unfassbar. Sie haben sich auch kaum blicken lassen, was natürlich auch seine Vorteile hat 😉
Bei der Bewertung gab es keine Gratulation, keine Anerkennung, nichts. Nachdem jeder seine vorläufige Urkunde bekam, sind die Prüfer in ein eigenes Zimmer gegangen und haben alleine eine Flasche Sekt aufgemacht. Ich habe sie danach nie wieder gesehen.
Coronabedingt durfte kein Besuch, sprich keine Kollegen, Familie und Freunde (wie sonst üblich) zur Abschlussprüfung erscheinen. Selbst zum Gratulieren wurde ein Vater streng von einem der Prüfer vor die Tür geschickt.
Ich stand dort mit den anderen und wir waren schockiert. Natürlich vor allem erleichtert, dass wir es geschafft haben und ab morgen keine Auszubildenden mehr sind.
Aber so haben wir uns das nicht vorgestellt… Wenn niemand kommen darf, warum gibt es dann nicht eine klitzekleine Abschlussfeier mit der Schule, den Prüfern und den frischgebackenen Gesellen?
Es war wirklich sehr surreal. Ein paar Minuten später war ich mit unendlich viel Gepäck, Gebäck und einer Torte auf dem Beifahrersitz auf dem Heimweg.
Das soll’s dann also gewesen sein.
"War denn alles nur schlecht?"
Natürlich nicht.
Es war sogar ziemlich gut. In nur 1,5 Jahren habe ich eine Ausbildung abgeschlossen, die mich dazu befähigt, den Konditormeister zu machen.
Aber es war eben auch sehr viel Arbeit, viele Diskussionen und Durchsetzen im Betrieb, viele unnötige Stunden in der Berufsschule und am Ende musste ich mir doch vieles selbst beibringen – oder ganz liebe Menschen um Hilfe fragen (danke nochmal!).
Ich war und bin immer noch wahnsinnig enttäuscht. Von der Schule, die so viel Potential hätte, richtig gute Leute zu bilden, formen und weiterzuentwickeln. Vom Betrieb, dass er völlig gegen seine Ausbildungspflicht verstoßen hat und vor allem von der Handwerkskammer.
Sie sollte eigentlich den Azubi unterstützen und die Ausbildungsstätte kontrollieren. Auch nach mehrmaliger Kontaktaufnahme über mehrere Monate hat sich niemand der zuständigen Stelle für die Azubis und eine ordnungsgemäße Ausbildung in dem Betrieb eingesetzt. Ich weiß, dass sie unter Druck stehen und dringend Ausbildungsplätze brauchen. Aber was bringt es, wenn die Leute dann schlecht ausgebildet sind? Ich glaube nicht, dass uns das weiterbringt. Ganz abgesehen von den Pflichten, die beide Parteien dabei verletzen.
Was mich letztendlich getragen hat, war mein Traum der Selbständigkeit, der Traum einer eigenen Pâtisserie und der Hoffnung, es irgendwann einmal besser zu machen.

Ich hoffe sehr, dass sich die ganze Ausbildungssituation in den kommenden Jahren und Jahrzehnten verbessert und dass das, was ich erlebt habe, nicht so häufig vorkommt.
Wie ist Deine Erfahrung mit Ausbildungen, dem Studium oder anderen Institutionen?
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Deine Anika