Diary #13: Perfekte Location gefunden – und trotzdem dagegen entschieden!

Die letzten Wochen waren arbeitsreich und intensiv. Aber wie immer lerne ich dabei auch sehr viel: Über mich, über andere und mein Konzept. Da ich euch auf diese kleine Reise nicht mitgenommen habe (ich wusste selbst nicht so genau, wie das alles läuft…) erzähle ich nun rückblickend davon.

Der Businessplan ist fertig, das Konzept auch und für alles, was noch ansteht, benötige ich erst einmal das Kapital von der Bank. Die Finanzierung kann ich allerdings erst beantragen, wenn ich eine Location (Produktionsraum) in Aussicht habe. Für mich ist daher der nächste Step, eine geeignete Produktionsstätte zu finden. Dass das gar nicht so einfach ist, habe ich in diesem Artikel schon mit euch geteilt: Diary #11 Herausforderung Standortsuche

Nun suche ich allerdings etwas breiter und darf regelmäßig Immobilien besichtigen. Von einer meiner ersten Besichtigungen und wie ich fast zugesagt hätte, lest ihr hier!

Warum die Location scheinbar perfekt war

Vor einigen Wochen habe ich mir eine mögliche Produktionsstätte für die Pâtisserie angeschaut. Für Außenstehende war die Wahl vielleicht wenig nachvollziehbar, da es sich nicht um Gastronomie oder eine Küche handelte, sondern um ein Objekt mit Einzelhandel. Mein Konzept benötigt zwar eine „Küchenausstattung“, aber nicht so, wie eine klassische Gastronomie sie nutzt.  Daher kann es unter Umständen für mich günstiger sein, selbst „neu“ zu bauen, als eine vorhandene Küche umständlich anzupassen.

Die Immobilie ist in Familienhand und wird es auch bleiben. Dadurch habe ich die Sicherheit, dass sie nicht in zwei Jahren verkauft wird und der Käufer möglicherweise die Mietverträge kündigt. Wenn ich so viel in investiere und meine Existenz darauf aufbaue, brauche ich ein gewisses Maß an Sicherheit und Zuverlässigkeit.

Bezahlbar, trotz einer idealen Lage, in der sogar ein kleines Café möglich gewesen wäre, war der Laden ebenfalls und Passanten hätten durch die vielen Schaufenster einen Einblick in unsere Arbeit erhalten.

Einige Ausstattungsgegenstände und Technik bot mit der jetzige Mieter gegen eine Ablöse an und natürlich kaufe ich lieber gut gebraucht als alles neu! Der Laden wurde zusätzlich erst vor ein paar Jahren modernisiert und ich muss zugeben, ich habe bisher keinen Standort gesehen, der in einem so guten Zustand war.

Doch mit der Zeit stellte sich heraus, dass der Zustand der Dinge, die für die Kunden nicht sichtbar waren, nicht mehr so gut war. Vieles war in die Jahre gekommen und nicht erneuert oder repariert worden. Einen Teil der Immobilie hätte ich vollständig renovieren und umbauen müssen, um ihn für die Lebensmittelproduktion nutzen zu können. Damit habe ich natürlich kalkuliert, allerdings war der Inhaber nicht bereit, sich an den Baukosten zu beteiligen, obwohl der renovierte Zustand nach meinem Auszug erhalten bleibt.

Der Umbau zu einer Produktion für Pâtisserie wäre möglich gewesen, allerdings mit sehr viel Aufwand und Widrigkeiten, bei denen ich vermutlich unbefriedigende Kompromisse hätte eingehen müssen. Aber: Bis dahin hatte ich für jedes Problem einen Lösungs- und Bauvorschlag.

Das Veto des Bauchgefühls

Die Beziehung zum Vermieter ist eine Geschäftsbeziehung, die von beiden Seiten gleichermaßen zu verhandeln ist und bei der sich beide gesehen und wohl fühlen sollen. In mehreren Gesprächen habe ich immer wieder gemerkt, dass sich Skepsis und Misstrauen immer wieder untermischen und ich merkte, dass immer mehr zeitlicher und finanzieller Druck aufkamen – sowohl bei mir als auch auf Vermieterseite.
Durch Zahlungen und Unterschriften vor Beantragung der Bankfinanzierung sollte ich mich verpflichten, auch bei Ablehnung durch die Bank die nächsten Mieten zu zahlen usw. Dabei forderten sie viel, ohne sich an den hohen Umbaukosten zu beteiligen. Gleichzeitig stellten sie diese Lösung als üblich und sogar für mich positiv dar, was mich natürlich verunsicherte.

Nach einem weiteren langen Gespräch mit dem Inhaber und weiteren Beteiligten meldete sich zum Glück ganz schnell und deutlich mein Bauchgefühl zu Wort. Als ich die Immobilie kurz darauf absagte, fühlte es sich an, als würde ich im letzten Moment noch den Kopf aus der Schlinge ziehen. Und ich wusste, es war die absolut richtige Entscheidung.
Besonders nach vielen anschließenden Gesprächen mit unterschiedlichen Leuten vom Fach wurde ich nochmals in meiner Entscheidung bestätigt und obwohl es eine Absage war, war es für mich ganz persönlich auch ein kleiner Erfolg: Auf mich vertrauen zu können und zu wissen, was gut für mich ist und was nicht.

Was ich daraus lerne...

Natürlich wünsche ich mir, dass es vorwärts geht, dass es irgendwann endlich losgeht mit der eigenen Gründung. Aber ich bin nicht bereit, jeden Preis dafür zu zahlen und mich so unter Druck setzen zu lassen.

Ich gründe, damit ich unabhängig bin und selbstbestimmt arbeiten kann. Mich abhängig zu machen in so einer (Geschäfts) Beziehung nimmt mir die Selbstbestimmung und verhindert den Umgang miteinander auf Augenhöhe. Mein Privileg, dann anzufangen, wenn alles passt, möchte ich nutzen und gehe nun weiter auf die Suche.

Auch wenn ich mich nun gegen die Immobilie entschieden habe, habe ich so viel gelernt dabei!

  • Worauf ich bei der Immobilie im Hintergrund und im nicht sichtbaren Bereich achten muss

  • Wie wichtig die Beziehungen zu den Ansprechpartnern und Beteiligten vor Ort sind

  • Welche Interessen und Perspektiven die einzelnen Akteure haben, denn nur ich bin wirklicher Fan des Konzepts und setze es aus Überzeugung um

  • Was den Banken beim Businessplan wichtig ist (Überraschung: die Zahlen!) und wie dieser attraktiv wird

  • Welche Schritte vor dem Deal mit der Immobilie notwendig sind und dass dieses Vorgehen in jeder Stadt unterschiedlich ist

  • Dass die Intuition manchmal stärker ist als jede Excel-Kalkulation und ich darauf vertrauen kann, dass sie Recht hat

Jeder einzelne Punkt ist so spannend und bedeutend, dass ich dazu gerne noch einzelne Artikel schreibe. Bis dahin werde ich mir noch einige Locations anschauen und euch auf dem Laufenden halten!

Macht es euch schön,

Eure Anika

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert